Appell zur Wohnkrise in Schwamendingen

Am Samstag, 6. April 2024 haben am Nachmittag zahlreiche Quartierbewohnende sowie solidarische Personen an einer bewilligten Kundgebung gegen die Wohnkrise in Schwamendingen protestiert. Der Anlass hat bewegt, weil aktuell zahlreiche Bewohnende verdrängt werden (Link zum Communiqué). Folgende Informationen möchten wir Ihnen zukommen lassen mit der dringenden Bitte, diese in zukünftige Berichterstattungen oder eigene Recherchen einfliessen zu lassen.

Unsere Grundforderung

Die jetzigen Bewohnerinnen und Bewohner von Schwamendingen können zu einer für sie bezahlbaren Miete im Quartier wohnen bleiben. Dies gilt für alle sogenannten ‘Verdichtungsquartiere’. Nur mit einem Bleibe-Versprechen wird die Verdichtung akzeptiert. 

Was tun wir? >> Bleibe-Liste ist eröffnet

Da die Bedürfnisse vieler aktueller Bewohner*innen dieser Stadt bezüglich Wohnen kaum in der Stadtplanung bekannt sind und berücksichtigt werden, sammeln wir diese gemeinsam. Darum haben wir nun begonnen, eine  ‘Bleibe-Liste’ zu erstellen. Darin sammeln wir Daten und Bedürfnisse von Menschen auf Wohnungssuche. Diese wurde in einem ersten Schritt für die Leerkündigung der Siedlung Grosswiesenstrasse/Glattwiesenstrasse gestartet. Nun wollen wir diese auf die gesamte Stadt Zürich ausweiten. Wir wollen damit aufzeigen:

  • Welche Wohnungen gebraucht werden 
  • Warum es wichtig ist, dass wir in unseren Quartieren wohnen bleiben
  • Welche Personen von der grossflächigen Verdrängung betroffen sind

Link zum Formular: www.mietenplenum.ch/bleibe-liste
Link zu Ergebnissen (laufend aktualisiert): http://tiny.cc/unb4xz 

Appell an die kommerziellen Eigentümer*innen (z.B. Zurich Investment AG, SwissLife, Coop Pensionskasse, BVK, Immobilienkosmos u.v.m.):

Aktuell zeigt sich, wie die immer stärkere Finanzialisierung von Boden und Wohnraum eine zukunftsfähige Entwicklung dieser Stadt (und Städte weltweit) verhindert. Ihr Geschäftsmodell führt nachweislich zu Verdrängung. Unsere Erhebungen und Gespräche zeigen, dass davon insbesondere auch Personen betroffen sind, welche in systemrelevanten Berufen arbeiten. Langfristig stellt Ihr Geschäftsmodell daher die Grundversorgung dieser Stadt in Frage.

Übernehmen Sie dafür soziale Verantwortung. Geht dies nicht, bleibt die dringende Notwendigkeit einer starken Regulierung sowie einer Veränderung in den Eigentumsverhältnissen.

Appell an die Hausverwaltungen (z.B. Apleona AG u.v.m.):

In einem Aushang an ihre Mieter*innen schreibt die Apleona AG folgenden Satz: «Sollte[n] die Arbeiten aufgrund Ihres Verbleibs in der Wohnung nicht möglich sein, ist mit enormen Mehrkosten für Sie zu rechnen». Die Hausverwaltung spricht damit eine Drohung ihren Mieter*innen gegenüber aus. Solche und ähnliche Einschüchterungs-Taktiken von Hausverwaltungen beobachten wir in zahlreichen Fällen.

Es darf nicht sein, dass Hausverwaltungen ihre Mieter*innen so sehr unter Druck setzen, dass diese Angst haben, von ihren Rechten Gebrauch zu machen.

Appell an die Genossenschaften (IG pro Zürich 12 und weitere)

Die aktuelle Wohnkrise führt zu einer sozialen Spaltung: Die einen haben das Glück, eine einigermassen bezahlbare Genossenschaftswohnung zu haben, und die anderen müssen mit deutlich höheren Mieten auf dem kommerziellen Markt zurande kommen. Die Neid-Debatte wird immer lauter. Wir finden, dass die Genossenschaften in einer akuten Wohnkrise wie dieser auch eine gesamtstädtische soziale Verantwortung tragen und sich nicht heraushalten dürfen, indem sie auf ihre Verpflichtung gegenüber ihren Mitgliedern verweisen. Insbesondere, da die Genossenschaften in Gesprächen selbst bestätigen, dass es aktuell kaum möglich ist, einer Genossenschaft beizutreten.

Die Vergabeprozesse von Genossenschaftswohnungen müssen transparent, zugänglich und diskriminierungsfrei gestaltet sein. Und die Genossenschaften müssen sich auf politischer Ebene sowie im Verhältnis zu kommerziellen Eigentümerschaften für eine Gesamtlösung des Problems einsetzen. Warum nicht aktiv für eine Regulierung von kommerziellen Eigentümern einstehen? Warum nicht 100% gemeinnützigen Wohnbau einfordern?

Appell an die Liegenschaftsverwaltung der Stadt Zürich

Am Beispiel der städtischen Siedlung Leutschenbach zeigt sich, dass die städtische Vergabepraxis den Quartierbewohnenden kaum zugänglich ist. Auch wenn die Neuvermietung der Siedlung Leutschenbach beispielsweise für konkret 152 Haushalte an der Grosswiesen/Glattwiesenstrasse (Zurich Investment AG) und nochmals etwa ebenso viele an der Roswiesenstrasse/Winterthurerstrasse (BVK) die einzig reale Chance ist, in der Nähe wohnen bleiben zu können, gibt es bis heute trotz mehrfacher Nachfrage keine Zusicherung vonseiten der Stadt an die Betroffenen. Zudem gestaltete sich der Anmeldeprozess so kompliziert, dass viele Mieter*innen es nicht geschafft haben, sich anzumelden.

Die Anmeldung für städtische Liegenschaften darf nicht an digitalen oder sprachlichen Hürden scheitern. Zudem sind Kontingente für Quartierbewohnende vorzusehen. 

Appell an Soziale Dienste der Stadt, Quartiervereine, Kirchen, Gemeinschaftszentren, etc.:

Die sozialen Institutionen in sogenannten ‘Verdichtungsquartieren’ stehen mit den akut Betroffenen tagtäglich in Kontakt. In Gesprächen bestätigen sie die drastische Notlage vieler: Viele Pflegende, welche keine Wohnung finden. Viele Vereine, deren aktive Mitglieder aus dem Quartier verdrängt werden. Menschen, die kurz vor der Einbürgerung stehen und deswegen auf einen Verbleib in der Gemeinde dringend angewiesen sind. Kinder, die von einem befristeten Verhältnis zum nächsten ziehen müssen. Pensionierte, die zu früh ins Altersheim ziehen müssen. Doch niemand will darüber sprechen, da dieses Thema “zu politisch sei”. Wir fragen uns: Wer verbietet den sozialen Organisationen, über ein dermassen zentrales Thema wie die Wohnkrise zu sprechen? Insbesondere da die Folgekosten die öffentliche Hand tragen wird – und die Höhe davon noch nicht einmal absehbar ist.

Alle sozialen Einrichtungen mit Auftrag gegenüber einem Quartier müssen im Mindesten die Situationen der Quartierbewohnenden erheben und diese Informationen als politische Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellen. Und sie müssen offene Sprechstunden nach Feierabend zur Verfügung stellen, für die es keine spezifische Anmeldeformularität braucht (‘Walk-in’).

Appell an die Parteien und städtische/kantonale Regierungen:

Nebst den dringend nötigen Regulierungen braucht es nun schnell greifende Massnahmen. In Schwamendingen zeigt sich exemplarisch, wie mit den sog. ‘Verdichtungsquartieren’ umgegangen werden soll: ohne Koordination, ohne Bleibe-Versprechen, nicht einmal mit einer Bedürfnis-Erhebung der jetzigen Bewohnerinnen und Bewohner. Hören wir auf mit der schönfärberischen Bezeichnung nennen es beim Namen: Es sind Verdrängungsgebiete! 

Setzen Sie ein Zeichen, indem Sie ein offizielles Bekenntnis dafür abgeben, dass Bewohner*innen zu bezahlbaren Mieten bleiben können. Reden Sie mit den Betroffenen. Setzen Sie Ihre Ressourcen ein, um das Problem auch bereits im Hier und Jetzt anzugehen – für alle, nicht nur für Ihre Wähler*innenbasis.